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Yeah! Meilenstein Radfahren

oder auch Raphaels Dickschädel ;)

Aller Anfang ist schwer.
Vor allem wenn man es mit einem kleinen Dickkopf zu tun hat. Aber von vorne.

Raphael entdeckte mit 3 Jahren in Italien in einem Spielzeugladen ein Spiderman Plastik Motorrad / Laufrad, in das er sich direkt verliebte. Bis dahin hatte er sich geweigert auf so wackelige Dinger zu steigen. Aber durch die breiten Reifen stand es alleine und er stieg tatsächlich auf. Das Ding wurde natürlich direkt gekauft.

Nach kurzer Zeit war er dann bereit auf ein normales Laufrad umzusteigen. Wir kauften ihm ein Puky Laufrad mit tiefem Einstieg (wie sich herausstellte, wäre das aber nicht nötig gewesen und so oft wie ich das Teil schleppten musste hätte ich gerne ein leichteres genommen).
Ab da war er kaum zu halten. Flitzte los und war auf und davon und wenn man Pech hatte nicht mehr gesehen ;)

Hinweis: Eine Weglauftendenz wird nicht unbedingt besser mit fahrbarem Untersatz ;) Ich musste oft den Turbo anschalten. Dazu kann man -> hier mehr lesen (ganz unten).

Sein Laufrad war sein ein und alles.
Andere Fahrzeuge fuhr er nicht wirklich. Aufs Bobby Car wie auch aufs Dreirad setzte er sich zwar gerne, legte dann aber direkt die Beine hoch und wollte gezogen werden. Nur in der Wohnung nutzte er manchmal sein Rutscherauto zum spielen.

Nach dem Puky hatte er noch ein Chicco und dann ein größeres No Name mit Handbremse. Das war im Nachhinein super, da er so schon im Stand und lange das Bremsen mit der Handbremse üben konnte. (Falls ihr vor der Entscheidung steht: Anfangs wäre die Bremse unnötig gewesen, zu schwer zu ziehen, zu kurz die Finger und zu schwierig zu koordinieren).


5. Geburtstag - Wunschfahrrad

Raphael hat sich mit 5 Jahren zum Geburtstag ein Fahrrad gewünscht.
Da er ja gut das Gleichgewicht halten konnte entschieden wir uns erst mal für ein Rad ohne Stützräder. Ein hellblaues Puky.
Raphael freute sich riesig als er es im Hof stehen sah. Erzählte wie toll es aussah und...

... stieg nicht auf.
Naja, er braucht eben etwas Zeit um sich zu trauen und dran zu gewöhnen. Dachten wir. ;)
Aber Raphael wäre nicht Raphael, wenn er das nicht alles nach seinem Kopf machen würde. Und sein Kopf sagte ihm vermutlich so etwas wie: "Wieso da aufsteigen, vielleicht wieder runterfallen und was Neues lernen ist anstrengend. Für was? Du kannst doch super und sicher mit deinem Laufrad flitzen."

 

Wir kauften nach einer Weile Stützräder und hofften das er dann durch die Stabilität aufsteigt. Das tat er auch mal, für ein Foto oder ließ sich ab und an 2m damit im Hof schieben und dann steig er wieder ab. Meist aber selbst das nicht.

Er bekam im Sommer noch von Verwandten ein 2tes Rad geschenkt, auch mit Stützrädern. Auch das sah sehr chic aus ;) Vor allem von Weitem. Half aber sonst auch nicht weiter...

Dann lernte Elena mit ca. 2,5 Jahren Rad fahren und okkupierte sein blaues Rad mit den Stützrädern.

Von einem Freund bekamen sie Roller geschenkt und da stieg Raphael drauf. Allerdings hatte er eine Hoppel-Technik und fuhr nicht weit oder oft damit.

 

Als wir im Fahrradladen etwas kaufen mussten, suchte er sich selbst ein rotes Puky "Feuerwehrfahrrad" ohne Stützräder aus und ließ sich dort auch super gut damit herum schieben. Also kauften wir das direkt. Das andere Fahrrad sollte sowieso bei der Oma gelagert werden. Doch leider war der Effekt auf den Laden begrenzt gewesen ;)


Wir versuchten zu locken, wir spielten Fahrradwerkstatt, Waschstraße und sonstiges. Das hat auch wirklich viel Spaß gemacht, aber aufsteigen wollte er trotzdem nicht. Auch Gadgets wie eine Blaulichthupe fand er toll, aber die konnte man auch drücken, wenn man daneben stand ;)

 

Tipp von unserer Ergo: Für die Tretbewegung ist als Vorstufe, bzw. zum üben klettern und auch Wechselschritt Treppe laufen gut. Vor allem aber wenn das Kind sich traut viel klettern :)


Nächster (leicht verzweifelter) Step

Ich hatte eine neue Idee, ich kaufte für Raphael einen Kinder Heimtrainer. Da konnte er ohne Angst mal aufsteigen und das Treten üben, das er ja bis dahin auch noch nicht konnte. Man musste auf nichts achten oder aufpassen, es dudelte lustig und blinkte beim Fahren wild. Also gute Voraussetzungen das Raphael das teil lieben würde ;)  
Und tatsächlich, ein paar Tage später konnte er zumindest ein wenig treten und saß im Sattel (die Pedale hatten keinen Widerstand und gingen eher zu leicht und schnell, da verhaspelte man sich oft oder rutschte ab).

Jetzt musste nur noch der Sprung aufs Rad klappen. Doch dazu brauchte es aber noch etwas mehr, er stieg immer noch nicht auf...

Ich ging in einen kleinen Fahrradladen um die Ecke und fragte ob die Raphaels Rad so umbauen konnte, dass die Pedale sich automatisch drehten, wenn ich ihn schob, dass er die Bewegung lernen konnte. (Es gibt wohl auch alte sehr kleine Räder die genau dies machen, aber wir fanden keins in der Nähe und ist inzwischen wegen der erhöhten Verletzungsgefahr selten), man war dort sehr hilfsbereit und wir vereinbarten, dass wir nach dem Saisonstart, wenn es im Laden wieder etwas ruhiger wurde wiederkommen würden. Dazu kam es allerdings nie. Denn es kam etwas dazwischen...


Der Durchbruch - oder wo ein Wille ist...

Raphaels letztes Kitajahr neigte sich dem Ende entgegen. Und in unserer Kita war es Tradition, dass alle Vorschulkinder gemeisnam mit den Erziehern eine Radtour machten. Von der Kita aus am Rhein entlang bis in den Volkspark auf den Wasserspielplatz und wieder zurück. Insgesamt ca. 9km, also schon sportlich.

Raphael wollte unbedingt mit dem Laufrad mit, aber das wäre nicht gegangen. Zu weit und die anderen Kinder zu schnell. Auch wenn er wirklich damit flitzen konnte.

Ich erklärte ihm das dies überhaupt nicht schlimm sei und er sich überlegen könne ob ich ihn mit dem Auto auf dem Wasserspielplatz fahre (oder die I-Kraft mit ihm den Bus nimmt) oder er eben in der Zeit zu seiner Schwester in die Gruppe darf.

Nein, die Optionen fand er beide doof und sein Ehrgeiz war geweckt.

 

Jetzt WOLLTE er Fahrrad fahren lernen und zwar sofort:

"Mama, ich werde mit dem Fahrrad mitfahren!"

 

Also holten wir direkt das Rad aus, das musste natürlich ausgenutzt werden.

Gut das ich nur 157cm groß bin, denn auf der ersten Strecke schob ich ihn, hielt ihn hinten fest und drehte gleichzeitig gebückt laufend die Pedale für ihn. Das war von zu Hause bis ins PEp, das sind 900m und danach war ich wirklich gerädert und krumm ;)

Auf dem nach Hause weg bewegte er dann Gott sei Dank schon selbst etwas die Pedale mit. Und ich konnte normal laufen und ihn schieben und am Schlafittchen halten.

 

Übrigens als Tipp: Setzt dem Kind einen Rucksack auf mit Brustgurt. An dem Rucksack kann man das Kind super gut hinten packen und schieben, auch ohne Stange und ohne das es dem Kind unangenehm ist.



Geschafft!

Am nächsten Tag wurde wieder geübt, der kleine Platz vor dem Haus eignet sich perfekt dafür, da kann man immer schön im Kreis fahren. Und es klappte schon viel besser, ich musste nur noch halten, den Rest machte Raphael selbst.

 

Und noch einen Tag später fuhr er mir weg, ich wollte es nicht glauben! Erst hielt ich nur locker, dann kurz ganz ohne um zu gucken wieviel Hilfe er noch brauchte und er fuhr! Und fuhr und fuhr!

Anfangs noch leicht wackelig und dann mit jeder Runde und jedem Tag besser! Auch das bremsen mit der Handbremse wurde direkt geübt, bzw. funktionierte super. Anfahren musste noch etwas geübt werden, das er sich ohne Schubs traute und auch das klappte dann immer besser nach einer Weile!

 

Ihr könnt euch sicher vorstellen wie erstaunt, überrascht und stolz wir waren!

 


Aber was für ein Dickkopf, er hätte es garantiert schon lange vorher lernen können, wenn er den Sinn darin gesehen hätte.

Aber als er den für sich erkannte lernte er es innerhalb von 3 Tagen!

(Übrigens etwas was bei Raphael oft zu trifft ;)


Die Vorschul-Radtour

Jetzt musste ich ihm allerdings erklären, dass er das zwar mega toll macht, aber eine 9km Radtour doch für einen Fahranfänger nicht geeignet ist.

 

"Doch Mama, ich fahre mit, ich kann fahren, also mache ich das!"

 

Wir haben in der Kita überlegt wie wir es lösen, denn wir wollten auf keinen Fall das er irgendwo auf der Strecke aufgeben muss oder er zu langsam für die Gruppe ist und dann mit diesem Gefühl heimgeht.

Wir vereinbarten, dass er mit Rad hinfährt (über 4,5km für einen Anfänger ist schon super und nicht so einfach zu schaffen) und ich ihn dann dort (hoffentlich mit Erfolgserlebnis und voller Stolz) mit dem Auto nach dem spielen abhole.

 

Doch auch das kam anders, denn wir hatten die Rechnung mal wieder ohne Raphaels Wille und Dickkopf gemacht. So oft ich diesen auch schon heimlich oder auch laut verflucht hatte, er hat auch sein Gutes.

 

Dann ging es los, alle Vorschulkinder trafen sich mit ihrem Rad auf dem Hof vor der Kita. Mama und auch Sohn waren nervös. Aber er freute sich auch total. Die Kinder fuhren laut klingelnd und unter Blitzlichtgewitter los und waren schnell um die Ecke verschwunden.

 

Raphael schaffte beide Strecken und kam mittags breit grinsend aber völlig fertig zurück geradelt.

 

Ab da fuhren wir sehr viel und gerne Rad, egal ob zu Therapien, Spielplätzen oder in die nächste Eisdiele. Er wurde immer sicherer und ausdauernder (wobei er bei kleinsten Anstiegen lieber Abstieg, anstatt fest in die Pedale zu treten, aber Gott sei Dank ist hier fast alles flach)

Er ist inzwischen auch sicher im Straßenverkehr hier in der Stadt unterwegs. Wir fahren das meiste auf Radwegen und er hält selbstständig an, wenn wir eine Straße überqueren müssen, sicherheitshalber rufe ich aber vorher nochmal. Manchmal sind die kreuzenden Straßen durch abgesenkte oder gar nicht vorhandene Bordsteine schlecht erkennbar.

 

Schlussendlich kann man sagen, wenn er will kann er auch.

Aber, wenn er nicht will… ;)


Epilog- 2019

Da Raphael die Rücktrittbremse nicht verwendet, haben wir dann nach kurzem sein Puky Fahrrad gegen ein 16" Decathlon Rad getauscht. Das hat in der Größe, 2 super einfach zu ziehende Handbremsen (Puky hat nur eine und deutlich schwergängiger), und die Hebel sind auch so dicht am Rad, das sie auch kurze Finger gut erreichen können.

 

Als das zu klein wurde hat sich Raphael zu seinem 9. Geburtstag ein 20" Boomer in seinen Lieblingsfarben schwarz grün ausgesucht. Auch mit 2 Handbremsen und Gangschaltung. War in der Größe gar nicht so einfach ein Rad zu finden, wo er mit den kurzen Fingern gut an die Bremsen herankam.

 

Wir fahren wirklich viel Rad und auch in der Stadt ausdauernd. richtige Radtouren machen wir selten, für uns ist es vor allem gern genommenes Transportmittel, da ich ja kein Auto habe. Vor 2 Wochen hatte Raphael Sport in der Schule, dann fuhren wir damit zum Schwimmen, dann in die Stadt, dann Elena abholen und wieder heim. Das war eine Strecke von fast 10km plus 2x Sport.

 

Bald steht die Radprüfung in der Schule an, dafür üben wir momentan, auch wenn ich denke das wir es bis dahin nicht schaffen werden, das ist schon echt viel auf einmal mit den ganzen Regeln und Schildern. Macht aber nichts. Er macht es echt super und wir fahren eh fast alles auf Radwegen.



Unser Zebra Blog: Wir sind eine 4-köpfige Familie aus Mainz. Papa Thomas ist Kommunikationsdesigner und Chef des Zebras, sowie Referent der landesweiten Service- und Beratungsstelle "Inklusion in der Weiterbildung" im Ingelheimer WBZ. Hobbys sind lesen und Zeit draußen verbringen und Mainz 05. Mama Katharina ist Mediengestalterin und Mama. Wenn Zeit ist sitzt sie an der Nähmaschine, auch Motivkuchen backen gehört auf ihre Hobbyliste. Sohn Raphael (*2009) ist Schüler und mag gerne Playmobil, Rollenspiele, chillen, Ausflüge in die Natur, Achterbahnen, Schwimmbad und vieles mehr. Momentane Berufswünsche: Märchenerzähler / Schauspieler, YouTube Star, Autoskooter Einparker, Knöllchenverteiler, ... Er hat ein extra im Gepäck, das Down-Syndrom, auch Trisomie 21 genannt, mit dem er uns nach der Geburt überraschte. Tochter Elena (*2012) die Jüngste in der Chaosbude ist auch Schülerin, spielt Geige, macht Yoga und ist in einer Zirkus AG. Ihre Hobbys sind außerdem schwimmen, Achterbahnen, mit Freundinnen treffen. Ihr Berufswunsch, schwankt auch zwischen Märchenerzählerin und YouTube Star, aber auch Detektivin, Archäologin oder Meeresbiologin steht auf ihrer Wunschliste weit oben. Elena ist außerdem Buchautorin.


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